Dorfkneipensterben oder gibt es noch Chancen der Rekultivierung?
In den armen Regionen von ganz Europa ist jedem das Phänomen bekannt, durch Dörfer zu fahren, wo die alte Dorfkneipe verfällt. Die Menschen verlieren ihren Treffpunkt oft für viele Jahre. Sogar
scheinbar für immer. Der kleine Plausch am Tresen wird zudem heutzutage oft vom Partnerchat im Internet abgelöst. So wie bei den kleinen Geschäften, die durch Onlinebestellungen ihre
Existenzberechtigung verlieren, verliert auch die alte Dorfschänke ihre Kundschaft. Neue Wege müssen für beide gefunden werden. Schottland machts vor.
Die Entstehung der Dorfkneipen liegt bestimmt in der Erfindung des Bieres. Sie waren nicht nur die seligen Hallen, den Alkoholspiegel auf sein angemessenes Maß zurück zu bringen, sondern sie
waren Treffpunkt schlechthin. Viele Initiativen in den Dörfern der Prignitz haben sich schon an der Idee, Dorfkneipen zu eröffnen, totgebissen. Riesige Investitionen Anfang der 90er Jahren
konnten ebenfalls das Sterben der Kneipen und Kulturhäuser aus DDR-Zeiten nicht verhindern. So schloss jetzt gerade wieder eines dieser Häuser in Berge ("Anne Eiche") /Amt Putlitz Berge seine
Türen. Es werden wohl noch ab und an einige Karnevalsfeste stattfinden, aber ansonsten hat Berge nun auch keine Kneipe mehr. (Schön, dass in Bresch die Schweinebar mehr und mehr an Leben
gewinnt). In komplett neuen Konzepten liegt die Chance der Dorfkneipenkultur für die Zukunft.
Dorfkneipe im Nebenerwerb ist gestern wie heute realistisch
Dorfkneipen wurden schon in alten Zeiten im Nebenerwerb betrieben. Das sollte jeden, der heutzutage eine solch gut gemeinte Initiative vorhat, daran erinnern, dass man von einer Kneipe alleine
nicht leben kann. Die Probleme liegen auf der Hand. Wer kann sich schon erlauben, einen Angestellten täglich oder selbst nur am Wochende zu finanzieren? Sieben Stunden Arbeitslohn ergeben 70 Euro
brutto. Meist 5 verkaufte Biere ergeben den schnellen Tod dieser gut gemeinten Ideen. Auch zusammmengetrommelte Omis bei den umstrittenen Kaffeefahrten können daran nichts ändern. (siehe
Kaffeefahrt zum Schloss Artikel in Rubrik Kultur).
Neue Perspektiven durch KREATIVITÄT und neue VIELFALT
Ein moderne Dorfkneipe muss oftmals mehr bieten als einen Raum mit Bierzapfhahn. Aufgrund der demographischen Entwicklung schrumpft das potentielle Publikum in den kommenden Jahren weiterhin
rapide. Zudem fährt wohl niemand aus Hamburg oder Berlin wegen einem Bier nach Berge. Selbst lieb gemeinte Karnevalsfeste locken immer weniger Einheimische hinterm Ofen hervor. Jetzt ist wieder
einmal Kreativität gefragt.
Um heute eine Kneipe auf dem Land sicher betreiben zu können, sollten möglichst viele Elemente verbunden werden, um diesen Platz so attraktiv zu gestalten, dass viele Menschen aus dem einen oder
anderen Grundes kommen. Einfach mal nen Künstler zu einer Vernissage einladen, ein Konzert, ne Lesung mal hier, mal da ist oft auch nicht weit genug gedacht. Heutzutage fordert der verwöhnte
Kunde meist viel mehr.
In England ist man hier schon ein ganzes Stück weiter
.
Grundsätzlich kann man ein Konzept für eine moderne Kneipe mit einem Baumarkt vergleichen. Wenn Sie einen Baumarkt hätten, in dem es nur Schraubenzieher gäbe, würde wohl niemand dort Kunde sein.
Ein Bier mit Wurst ist einfach Utopie.
In schottischen Kneipen gibts häufig zudem;
1. die Postannahmestelle
2. WLAN um als Internet Café auch die Kommunikation vom heimischen Schreibttisch zurück in die Pinte zu ziehen
3. Heimatkultur, Lesungen von Dorfgeschichten (interessiert Touristen sehr)
4. Integration von Altenpflege, Omiannahmestelle, wenn die Tochter einkaufen gehen muss.
5. Malkurse, Sprachkurse...etc. Jugendbetreuung am Nachmittag bei Kaffee und Kuchen
6. Anbindung an übergeordnete Veranstaltungen, um den Ort bekannt zu machen (so wie die Perleberger Kneipennacht)
7. Ökobau, Gartenführungen, Trödelkneipe,.... die Vielfalt möglicher Ideen kennt keine Grenzen.
Ziel muss es sein, monatlich 1300 Euro zu verdienen, um minimal überleben zu können, es sei denn, Sie machen dies neben Ihrer Rente als Hobby.
Außerdem hat sich auch in England gezeigt, dass der Charme einer Kneipe 50% der Überlebenschance bedeutet. Auch Sie würden in einem schottischen Urlaub lieber in einem alten Pub sitzen als in
einer schicken Regipsbude. Somit erhöht sich die Erfolgschance enorm, wenn man einen nostalgischen Altbau nimmt oder ihn wie in der Schweinebar in Bresch als Prignitzkneipe einfach neu erfindet.